Müll einsammeln? Da fragen sich diejenigen, die behutsam mit ihrer Umwelt umgehen, warum sie anderer Leute Unrat beseitigen sollten? Wo kommen wir hin, wenn jetzt denjenigen hinterher gekehrt wird, die alles Plastik, Papier, Büchsen und Brotbeutel in der Natur beseitigen?

Die mögen dann denken: Mach ich weiter so, hebt ja ohnehin jemand auf. Doch genau so denken die Schüler der Klasse 6b von Horst Gierhardt nicht. Die Mädchen und Jungen des Städtischen Gymnasiums hatten sich im Deutschunterricht bei Lehrer Frank Oldeleer einige Sachtexte vorgenommen, über die gesprochen wurde. Darin ging es um das Thema Müll.

„Spontan äußerten die Schüler den Wunsch, eine Müll-Sammelaktion zu starten“, erläuterte Frank Oldeleer im Gespräch. Und was kam da gelegener als die Woche zu nutzen, wo die Zeugnisnoten soweit feststehen, wo nur noch Filme geguckt oder die Bücher abgegeben werden.

Am Mittwoch „bewaffneten“ sich die Sechstklässler mit Müllzangen und großen 120-Liter-Beuteln. Im Vorfeld hatte Frank Oldeleer grünes Licht bei Schulleiterin Corie Hahn eingeholt. Die fand die Idee toll und war von der Initiative der Schüler begeistert. Ohnehin entwickelt sich da in den vergangenen Monaten so einiges am Städtischen Gymnasium. Zuletzt machte die Schüler-Initiative „WeiterGedacht“ von sich reden. Sie spricht nicht nur über Klimaschutz oder denkt darüber nach, freitags auf die Straße zu gehen, sondern agiert im Kleinen und nimmt sich so des Themas Klimaschutz an. „Man muss einfach was machen“, erklärt Frank Oldeleer. Auch als Deutsch- und Philosophielehrer sei er in der Pflicht. Da helfe keine akademische Debatte. „Der Klimawandel ist nämlich schon da.“

Und darum begrüßte Frank Oldeleer auch den Vorschlag seiner Deutschschüler, eine Stunde lang am frühen Morgen durch die Stadt zu ziehen und dort den Müll aufzusammeln. Dafür teilten sich die Jungen und Mädchen in kleine Gruppen ein, durchkämmten die Stadt und schauten sogar im Kurpark nach, ob dort Müll hinterlassen wurde. „Meine große Furcht ist, dass wir das als Gesellschaft nicht hinbekommen“, sagt Frank Oldeleer über das Thema Klimaschutz. Oft steht die Feststellung im Raum, dass man da sowieso nichts ausrichten könne. „Doch“, ist sich Frank Oldeleer sicher. Der Pädagoge möchte den Klimaschutz im Bewusstsein der Schüler verankern. Dabei geht es beileibe nicht nur darum, die Luft rein zu halten. Auch Plastikmüll ist ein Thema, die Verpackungen in Supermärkten, ein „Zero-waste“-Verhalten, also das Leben ohne jeglichen Müll oder Energieverschwendung, um nur einige Beispiele zu nennen.

„Mit der Klasse 9 habe ich vor eineinhalb Jahren ausprobiert, den Müll zu trennen.“ Anfangs hätten sich die Schüler für die Aktion geschämt, auch vor anderen, doch inzwischen stehe man dazu. Der anfallende Schul-Müll werde sauber getrennt und eigenhändig von den Schülern entsorgt. Gestern konnte sich das Ergebnis der spontanen Kurz-Aktion der 6b sehen lassen: Nach der einen Stunde kehrten die Gruppen mit drei randvollen 120-Liter-Müllbeuteln zurück. „Das werden wir sicher nochmal machen“, freute sich Frank Oldeleer.

Der ist übrigens Mitbegründer der Initiative „Wittgenstein im Wandel“ (WiW). Themen der Initiative sind der Müll, die regionale Energie, Permakultur, das Bepflanzen von Beeten in der Stadt oder die solidarische Landwirtschaft. Viele Klimamodelle zeigen, dass sich der Zeitraum, in dem die menschliche Einflussnahme den Klimawandel noch beeinflussen kann, nur noch bis zur Mitte des Jahrhunderts erstreckt. Frank Oldeleer stellte damals bei einem regionalen Treffen fest, dass die Welt schon lange nicht mehr perfekt sei. „Auch wir werden die Welt nicht perfekt machen, aber jeder kann vor der eigenen Haustür etwas tun.“

Quelle: Siegener Zeitung vom 11.07.2019, Holger Weber