NRW stellt Millionen für digitale Endgeräte an Schulen zur Verfügung. An die iPads zu gelangen, ist schwierig und mit Folgeproblemen behaftet.

Die ersten Pakete sind schon angekommen. Kleine, flache Pakete mit iPads darin, rund 60 Stück, die einst im Düsseldorfer Landtag versprochen wurden und nun tatsächlich schon den Weg in das kleine Städtchen Bad Laasphe im Kreis Siegen-Wittgenstein gefunden haben. „Uns war wichtig, dass wir früh dabei sind, um nicht das Nachsehen zu haben, wenn große Städte ihre Bestellungen aufgeben“, sagt Sven Sendfeld (46), Lehrer am Städtischen Gymnasium. Das Hauen und Stechen um die Ausrüstung ist nur eine Komplikation auf dem Weg zur digitalen Schule. „Es ist toll, dass wir die Geräte haben“, sagt er, aber alle Probleme seien damit längst nicht gelöst. „Jetzt muss weitergedacht werden.“

Foto: Ralf Rottmann/ Funke Foto Services

Wenn die Schulen geschlossen werden, müssen iPads her

Sendfeld ist in diesen Tagen besonders wichtig, weil er der Medien-Koordinator an seiner Schule ist. Er unterrichtet aber natürlich auch: Erziehungswissenschaften, Erdkunde und Mathe. Demnächst dann mit den neuen iPads, die auch angeschafft wurden, um Kinder, die solche Geräte privat nicht zur Verfügung haben, auszurüsten. Und zwar, wenn die Schulen wieder geschlossen werden. Dieses Szenario wird mit jedem Tag wahrscheinlicher, an dem in NRW die Infektionen mit dem Coronavirus weiter so rasant ansteigen wie derzeit. 178 Millionen Euro hat die Landesregierung den Kommunen für die Anschaffung im Sommer in Aussicht gestellt. Doch Geld allein macht eben nicht glücklich. Denn es gibt neben Zufriedenheit auch Kritik. Das zeigt eine Umfrage unserer Zeitung unter den Kommunen in Südwestfalen, auf die 30 Städte antworteten.

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Der Förderzeitraum der Maßnahme, die im Juli beschlossen wurde, endet am 31. Dezember 2020. Wenig Zeit für eine Kommune, den Ratsbeschluss herbeizuführen, den Bedarf abzufragen, den Auftrag auszuschreiben und zu vergeben. Lieferzeiten kommen ja noch obendrauf. „Erst im Juli gab es die exakten Richtlinien, bis zum 31. Dezember 2020 muss alles abgerechnet sein“, skizziert der Hagener Kämmerer Christoph Gerbersmann, der den IT-Bereich verantwortet, den enormen Zeitdruck: „Natürlich freuen wir uns, das Geld für die Endgeräte zu bekommen. Aber man hätte uns ruhig die Zeit geben können, das sorgfältig vorzubereiten und strukturiert anzugehen.“ Hagen schafft 7000 iPads für 2,5 Millionen Euro an.

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Kampf um die Tablets: Forderung nach Verlängerung der Frist

Durch das kleine Zeitfenster treten die Kommunen nun in den letzten Wochen des Jahres gegeneinander in Konkurrenz um die Lieferungen von Tablets und Laptops – und das auf einem wegen der Corona-Pandemie ohnehin schon abgegrasten Markt. „Da alle Kommunen Geräte beschaffen, wird es auf dem Markt wahrscheinlich eng“, vermutet das Rathaus in Wetter. „Die Preise für Laptops sind seit Corona gestiegen und die Auswahl ist begrenzt. Tablets können nur mit langer Lieferzeit geliefert werden“, meldet Plettenberg.

„Aktuell liegen die angekündigten Lieferzeiten bei etwa acht Wochen“, heißt es aus Lippstadt, das eine erste 1000-Geräte-Lieferung schon erhalten hat. Ob die zweite rechtzeitig kommt, weiß niemand. „Eine Abwicklung des Förderprogramms bis zum Jahresende ist damit fraglich. Eine Verlängerung der Fristen erscheint dringend notwendig.“ Und wenn nicht? Dann haben „die kommunalen Schulträger, die für die Geräteausschreibung eine verbindliche Abnahmeerklärung abgeben mussten, die Geräte beschafft und müssen diese dann vollständig aus eigenen Mittel finanzieren“, unkt Drolshagen. Mit anderen Worten: Pech gehabt.

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Professionelle Hilfe bei Einrichtung und Wartung gewünscht

Bad Laasphe hat 100.000 Euro vom Land bewilligt bekommen. Eine erste Lieferung ist eingetroffen, eine zweite ist auf dem Weg. Aber zuende gedacht ist das alles trotzdem nicht, findet man zum Beispiel in Lennestadt: „Insbesondere hätte das Land als Dienstherr der Lehrkräfte sich um deren Ausstattung kümmern sollen, wenn nicht müssen.

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Diese Aufgabe wurde wieder auf die Kommunen abgewälzt, ohne dass das Land eine Antwort darauf gibt, wer für die Einrichtungs- und Supportkosten der Lehrerendgeräte aufkommen soll.“

Die Gruppeneinrichtung der bisher 60 neuen Tablets in Bad Laasphe übernimmt Sven Sendfeld. „Eigentlich hätte die vom Schulträger übernommen werden müssen“, sagt er, „aber da sitzt auch keiner, der Langeweile hat.“ Stadt und Schule einigten sich auf diese Variante, um die Geräte schnell ans Laufen zu bekommen. Wer sich zukünftig darum kümmert, dass die Geräte laufen? Steht noch nicht fest. Sendfeld betreut schon die anderen 120 Endgeräte wie Rechner, Laptops und Drucker. Zum Ausgleich muss er zweieinhalb Unterrichtsstunden pro Woche weniger geben. Knappe zwei Zeitstunden sind das. Für ihn eher ein Fall von Idealismus.

„Schulen bräuchten professionelle Unterstützung von Spezialfirmen. Und das Land müsste die Kosten dafür übernehmen“, sagt Sendfeld und fürchtet im schlimmsten Fall: „Wenn Schulen hinter dem Thema vielleicht nicht so hinterher sind und sich niemand findet, der die Aufgabe übernimmt, dann kann es sein, dass die neuen iPads schnell als Elektroschrott enden.“

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Höchst unterschiedlich bewerten die Kommunen den Weg zu den iPads. Marsberg im Hochsauerlandkreis hat Endgeräte „zu annehmbaren Preisen“ bestellt, wie es bei der Umfrage Mitte Oktober mitteilt. Bis zum 1. Dezember sollen sie geliefert werden. In Medebach sei die „Umsetzung schon weit fortgeschritten, weil wir die Geräte schnellstmöglich an den Schulen einsetzen wollen“ und „wir mittelfristig mit Lieferengpässen rechnen“. 160 iPads werden besorgt, die noch im November ankommen sollen. „Die erzielten Preise waren sogar etwas günstiger als von uns erwartet.“ Länger warten muss Bad Berleburg im Kreis Siegen-Wittgenstein. Lieferzeit: sechs bis acht Wochen. „Es ist realistisch, dass die Geräte noch dieses Jahr kommen.“

Andere Städte setzen auf Sammelbestellungen, die beim kommunalen IT-Dienstleister Südwestfalen IT mit Sitz in Hemer und Siegen gebündelt werden. Darunter Olpe, Kirchhundem, Hallenberg und Lüdenscheid. „Insgesamt scheint eine Sammelbestellung – regional oder landesweit – sinnvoll, um kostengünstiger und effektiver bestellen zu können“, heißt es aus Lüdenscheid. Für die große Lösung, die Anschaffung der Geräte durch das Land, plädiert u.a. auch Geseke im Kreis Soest. „Natürlich wäre eine Sammelbestellung der Geräte durch das Land NRW sinnvoll gewesen. So hätte man gegebenenfalls zeitlich schneller bestellen können“, heißt es von dort. „Von Vorteil wäre auch eine Art Onlineshop oder Marktplatz des Landes. Dort hätte man die Möglichkeit, Zubehör wie Stifte, Hüllen und die vorgeschriebenen Aufkleber mitzubestellen.“ Auch günstigere Konditionen seien bei Sammelbestellungen durch das Land denkbar. Drolshagen sieht keinen Vorteil in gebündelten Bestellungen, „da die Schulen auf unterschiedliche digitale Endgeräte und Hersteller setzen. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Geräte auch in schulische Netzinfrastruktur eingebunden werden“ könnten.

Apropos Netzinfrastruktur: Um die ist es höchst unterschiedlich bestellt, was dazu führt, dass manche Schulen zwar bald iPads haben, aber kein WLAN in den Klassenzimmern.

Eslohe und Medebach melden: schnelles Internet und WLAN in allen Klassen vorhanden. An vielen anderen Standorten werden die Mittel aus dem Digital-Pakt derzeit verwendet, um jene Strukturen auszubauen oder zu schaffen.

Quelle: Westfalenpost vom 08.11.2020
(https://www.wp.de/region/sauer-und-siegerland/suedwestfalen-der-kampf-der-kommunen-um-die-ipads-laeuft-id230856688.html)

Fotos: Ralf Rottmann/ FUNKE Foto Services